Tierschutzgeschichten

 

Die Welt da draußen

 

Es ist ein Tag wie jeder andere im Tierheim, die Sonne lacht vom Himmel und die wenigen Mitarbeiter haben wie immer alle Hände voll zu tun. Neuzugänge werden aufgenommen, andere werden ausreisefertig gemacht, Besucher kommen, Gassigeher stehen parat.

 

Mitten in dem Trubel nähert sich der kleine Fantastico, er ist ein lustiger Mix, der als wenige Wochen alter Welpe nun schon seit anderthalb Jahren im Tierheim lebt, der Hütte von Goldberg. Er hat mitbekommen, dass Goldberg sein ganzes Leben auf der Straße verbracht hat und nutzt jeden günstigen Moment zur Unterhaltung mit dem weisen, alten Goldberg.

 

Goldberg ist ein „Perro de Aqua Espanol“, ein spanischer Wasserhund, diese Hunderasse wurde ursprünglich gezüchtet, um den Fischern bei der Arbeit zu helfen, sie können sogar tauchen und sind am ehesten mit dem Pudel zu vergleichen.

 

Vorsichtig stupst Fantastico mit der Nase an Goldbergs Fell, er weiß, dass er bei ihm behutsam sein muss, denn der gute alte Goldberg ist blind und taub, aber seine Nase funktioniert noch ausgezeichnet und so weiß er genau, wer da anklopft. Trotz der offensichtlichen Hindernisse, schaffen es die Hunde, sich zu unterhalten.

 

„Hallo Fantastico, schön dass du mal wieder bei mir vorbei schaust.“

 

„Hallo Goldberg, wie fühlst du dich heute?“, will Fantastico wissen.

 

„Es geht ganz gut, aber deswegen bist du doch nicht wirklich hier!“, errät Goldberg.

 

„Stimmt, ich möchte wieder eine deiner Geschichten hören, wie das Leben da draußen so ist, ich finde sie immer so spannend. Los erzähl, der Zeitpunkt ist gerade günstig, mein Gassigeher ist noch nicht so weit.“, flüstert Fantastico neugierig.

 

„Also, wenn du wissen willst, wie es in einem Zuhause zugeht, damit kenne ich mich auch nicht aus, ich hatte nie eins, nur meine Gang damals, als ich noch jung war, wir waren immer zu dritt unterwegs, wir waren zwar frei, aber das Leben auf der Straße war sehr hart, es lauerten so viele Gefahren.“

 

„Hätte ich nicht gedacht, dass das Leben draußen so gefährlich ist, welche Gefahren waren denn am schlimmsten?“, fragt Fantastico vorwitzig.

 

„Die Blechkisten mit denen die Menschen über die Straßen sausen sind am gefährlichsten.“ erwidert Goldberg.

 

„Ich habe davon gehört, wie du hierher gekommen bist, du irrtest über eine viel befahrene Straße zwischen den ganzen Autos vollkommen planlos umher.“

 

„Was sollte ich denn machen, wenn man nichts sehen und hören kann, ich kann dir sagen und erst mal meine dicken Fellplatten um mich herum, ich konnte mich mit diesem zusätzlichen Gewicht doch kaum noch bewegen. Mein Fell war zu einer Masse zusammengeklebt, die so hart war wie Stein. Hier hat man mich mit einer Maschine ganz kurz geschoren, das war eine Erleichterung, da fühlte ich mich gleich viel besser. Aber meine Ohren schmerzten immer noch fürchterlich. Eine schlimme Ohrenentzündung meinte die Tierärztin und einige Geschwüre hatte ich auch noch. Nun geht es mir wieder ziemlich gut. Aber warum interessiert es dich denn so sehr, wie es auf der Straße so ist? Nun habe ich ein sorgenfreies, sicheres Leben, endlich kann ich im Müßiggang vor mich hin dösen und finde wieder ruhigen Schlaf, soviel ich will, aber wie es ist ein eigenes Körbchen zu haben, bei Menschen die einen wirklich mögen, das würde ich in diesem Leben noch so gerne kennen lernen, das müsste fantastisch sein.“, sinniert Goldberg weiter.

 

„Weißt du, das wünsche ich mir auch so sehr, dass es Menschen gibt, die mir ein Zuhause geben, ich kenne ja nichts anderes als das Tierheim, als ich hierher kam war ich ein erst wenige Wochen alter Welpe. Niemand hat mich lieb, Ich glaube mich mag nur niemand, wegen meiner Fellfarbe, sie ist schwarz und mein struppiger Bart ist bräunlich gefärbt“, seufzt Fantastico traurig, „ob es liebe Menschen für mich noch gibt?“

 

„Warte nur ab, Wunder geschehen, man muss nur fest daran glauben und man darf die Hoffnung niemals aufgeben, ich habe schon ein persönliches Wunder erlebt, denn sonst wäre ich wohl kaum hier. Wenn man bedenkt, dass ich blind, taub und fast bewegungsunfähig zwischen den vielen Fahrzeugen herumgeirrt bin. Wie kann man das unverletzt überleben, wenn es kein Wunder ist?“, ruft Goldberg zuversichtlich zurück.

 

„Okay, du hast Recht, es muss wohl ein Wunder gewesen sein und noch ein viel größeres, dass dich jemand hierher gebracht hat.“, stimmt Fantastico nun schon wieder etwas fröhlicher zu und ruft ihm beim herausgehen noch nach,

 

„dann müssen wir uns gegenseitig fest die Pfoten drücken und ich werde von nun an für uns beide jede Nacht Ausschau nach Sternschnuppen halten, das soll Glück bringen, wie ich gehört habe. Bis nachher Goldberg und angenehmes Dösen!“

 

Kaum ist Fantastico zur Gassirunde durch die Tür, da fallen Goldberg die müden alten Augen wieder zu und diesmal träumt er einen wunderschönen Traum, von einem richtigen Zuhause, sein Schlaf wird begleitet von einer leicht wedelnden Rute und einem sanftem Wuffen.

 

©Ute Dissemond, 2013

Erschienen in der Info-Broschüre ,Dez. 2013 der Tierhilfe Sara Lazarote e.V.

www.tierhilfe-sara-lanzarote.de

 

 

 

 

 

Vom Leid ein Podenco zu sein

 

In Spanien gibt es einige Hunderassen deren Leben von vorne herein unter keinem guten Stern steht, dazu gehören ganz besonders die Podencos und auf dem spanischen Festland die Galgos. Von Jägern lediglich als „Werkzeug“ angeschafft und ausgebeutet, fristen die Tiere ein elendes Dasein. Sie werden benutzt, solange sie für ihre Herrn genug erjagen oder wenn es damit von Anfang an nicht so richtig funktionierte, z.B. weil die Hunde über keine Ambitionen zum Jagen verfügen und es trotz aller gewaltsamen Versuche nicht gelingen will sie dazu zu bringen, dann entledigt man sich der Hunde kurzer Hand einfach.

 

Auf dem Festland kommt es nicht selten vor, das unbrauchbar gewordene Galgos von ihren Besitzern an einen Baum aufgehängt werden und so qualvoll sterben. Vielen Podencos ergeht es nicht viel besser, auch sie werden genutzt, gequält und anschließend entsorgt. Wer von den geschundenen Hunden noch ein Quäntchen Glück hat, findet im Tierheim SARA eine sichere Zuflucht. Podencos haben es leider auch dort doppelt schwer ein Zuhause zu finden, zum einen liegt es daran, weil sie so zahlreich sind, etwa die Hälfte aller Hunde im Tierheim SARA sind Podencos bzw. Podencomixe, zum anderen liegt es an den vielen Vorurteilen über diese Hunderasse, die sich nicht nur in Spanien hartnäckig halten.

 

Wie lässt sich der Charakter des Podencos beschreiben? Sie sind sensibel, anhänglich und ohne harte Worte zu erziehen, im Haus sind sie so unauffällig, das man sie kaum bemerkt. Sie eignen sich für viele Hundesportarten und anschließend lieben sie es, sich auf dem Sofa einzurollen oder sich an die Heizung zu kuscheln und sie haben einen weiteren Vorteil, sie haaren kaum und bringen wegen ihres kurzen Haarkleides wenig Schmutz in die Wohnung.

 

Trotzdem warten viele Podencos sehr lange auf ein Zuhause.

 

Einer dieser Podencos ist Elefante, seinen Namen verdankt er seinem Aussehen, als er im Februar 2011, aus einer Tötungsstation, gerettet wurde. Dort hatte er eine Beißattacke von mehreren Hunden erlitten, so dass sein Kopf unförmig angeschwollen und sein Gesicht schwer verwundet war. Seitdem lebt er im Tierheim SARA, wo er sich inzwischen sehr gut erholt hat. Heute ist er Dank der Fürsorge dort, wieder ein hübscher und lieber Podenco, im besten Alter von vier Jahren, der noch immer auf eine Chance wartet, endlich ein Zuhause zu finden.

 

Burko, ebenfalls ein Podenco, blieb diese Chance leider verwährt. Als er im Tierheim SARA aufgenommen wurde, war er gerade mal zwei Jahre alt, er wartete fünf lange Jahre auf die richtigen Menschen, die leider nie kamen, nun starb er im Oktober im Tierheim im Alter von nur sieben Jahren. Das Tierheim wurde seine Familie, er liebte die Menschen und alle Hunde.

 

Ja, Podencos lieben es zu Rennen und bei Spaziergängen herumzuschnüffeln, welcher Hund tut das nicht?

 

Welcher Hund findet nicht auch, ab und an Spaß daran die Nase in ein Mauseloch zu stecken, hier und da einen kühnen Mäusesprung hinzulegen? Welcher Hund hat keinen Spaß an reichlich Bewegung?

 

Podencos sind eben ganz normale Hunde.

 

Zur Erinnerung an Burko und für die vielen allzu oft übersehnen Podencos die noch im Tierheim SARA warten.

 

© Ute Dissemond 2013

Erschienen in der Info-Broschüre, Dez. 2013 der Tierhilfe Sara Lanzarote e.V.

www.tierhilfe-sara-lanzarote.de 

 

 

 

Nachts im Tierheim

 

Wie jeden Abend hören die Hunde, wie das Tor sorgfältig abgeschlossen wird, sie warten noch einen Moment, bevor sie mit ihrer Unterhaltung beginnen..

 

Lombi, der als Welpe zusammen mit seinen Brüdern aus einer Tötungsstation gerettet wurde und seit dem im Tierheim lebt, wartet schon neugierig, genauso wie Calcetines ein 2 jähriger kleiner, fröhlicher, verspielter Mischlingsrüde der seit einem halben Jahr dort lebt, seine Stimme hallt durch die Gänge des Tierheims.

 

„Psst, psst, Dorbene, kannst du mich hören? Hattest du nie einen Menschen zu dem du gehörtest?“

 

„Ich hatte schon den Einen oder Anderen, bei dem ich mir immer Futter abholen konnte und ich kenne auch so manchen Trick, wie man sich auf andere Weise von den Menschen Futter beschaffen kann, aber gelebt habe ich nie bei einem von ihnen. Weißt du kleiner Wicht, in all den Jahren auf der Straße habe ich gelernt, dass Vorsicht die beste Lebensversicherung ist.“

 

Calcetines ist ein wenig kleinlaut geworden und sagt:

 

„Ach, ich finde Menschen eigentlich ganz okay, zu mir waren bis jetzt alle nett, mir gefallen die Menschen.“

 

„Na und wo sind deine super tollen Menschen, warum bist du dann hier, müssten sie nicht bei dir sein?“

 

„Gut, gut, ich habe sie zwar schon länger nicht mehr gesehen, aber sie kommen bestimmt bald wieder, lange wird es nicht mehr dauern, außerdem ist es hier auch schön, immer ist jemand zum Spielen da und die Menschen die jeden Tag hierhin kommen sind immer nett zu uns, zu allen.“

 

Dennoch gerät der sonst so lustige Calcetines, über Dorbenes Worte ins Grübeln.

 

„Los, jetzt erzähl endlich aus deinem Leben,“ wendet sich Lombi an Dorbene,

 

„deine Geschichten sind immer so spannend und wie du bereits weißt, bin ich der einzige aus meinem Wurf, der noch immer hier sitzt und darauf wartet mehr von der Welt zu sehen.“

 

„Ich habe auch noch nichts von der Welt gesehen!“ meldet sich die kleine Nicaragua zu Wort.

 

„Das ist ja auch kein Wunder Kleine, du bist ja blind,“

 

erwidert Hanna, eine 12 jährige von ihren Besitzern ausrangierte Schäferhündin. Da hat Dorbene eine Idee.

 

„Wie wäre es, wenn ihr mir zur Abwechslung heute etwas von euch erzählt, ich bin neu hier und ich weiß bisher weder etwas über euch, noch wie der Laden hier so läuft.“

 

„Gut, ich fange an, denn ich lebe fast mein ganzes Leben lang schon hier und somit länger als alle anderen und deshalb kenne mich hier auch am besten aus,“ ruft Lombi und sprudelt los.

 

„Also, hier bist du in Sicherheit, die Menschen sind gut zu uns, du brauchst keine Angst zu haben und seit ich mich vorne im Eingangsbereich aufhalten darf, ist alles noch schöner. Man kann hier vorne die Besucher begrüßen, wird gestreichelt und wenn man Glück hat, kommt jemand und führt uns nach draußen zum Spazieren. Ich hatte auch noch nie einen Mensch zu dem ich gehörte, ich wüsste zu gerne, wie das ist, ein Zuhause zu haben. Meine Brüder haben es alle schon geschafft und ein Zuhause bei eigenen Menschen gefunden.“

 

„Jetzt bin ich dran,“ ruft Nicaragua, „denn meine Geschichte ist eine ganz besondere.“

 

„Na dann leg los, ich bin ganz Ohr,“ ermutigt sie Dorbene.

 

„Als ich noch klein war“, beginnt Nicaragua, als Calcetines laut dazwischen ruft:

 

„Ha, ha, dass bist du doch immer noch.“

 

„Jetzt hör auf zu lästern, du hast es grade nötig, viel größer bist du nämlich auch nicht!“, ermahnt ihn die liebe und anhängliche Hanna, die jedem Besucher hinterher schleicht, in der Hoffnung, das dieser ihr ein Zuhause gibt.

 

„Ich wurde als lebendes Spielzeug für die kleinen Menschen angeschafft. Da ich nichts sehen konnte bekam ich Angst vor ihnen, vor den großen Menschen war meine Furcht noch viel heftiger. Große Hände, die mich ohne Vorahnung hochhoben, manchmal war der Griff auch sehr fest. Als Spielzeug taugte ich nichts, da ich den Bällchen nicht hinterher rennen konnte, ich konnte ja das Spielzeug nicht sehen und allmählich verlor meine Familie immer mehr das Interesse an mir. Die Jahre gingen freudlos dahin und eines Tages musste ich ein Gespräch mitanhören, sie sagten, dass ich alt und zu nichts zu gebrauchen wäre, die Zeiten sind schlecht und man müsse sich von mir trennen. Es vergingen ein paar Tage, bis ich eines Abends in einen Karton gepackt wurde, man gab mir noch Futter mit dazu, das konnte ich riechen und dann fuhren wir ein Stück mit dem Wagen. Als er stoppte, wurde die Kiste mit mir darin hinausgehoben und irgendwo abgestellt. Dann hörte ich nur die Geräusche eines sich entfernenden Wagens und das laute Bellen von Artgenossen. Die Gerüche um mich herum waren fremd und es war einer der wenigen Regentage, an denen es so richtig schüttete. Ich hatte Angst und wollte ins Trockene, meine Familie suchen, denn irgendwo mussten sie doch noch sein. Der Regen durchweichte den Karton und machte mir die Befreiung daraus leicht. Doch weit kam ich nicht, die Nässe hatte den sonst so staubigen Boden in Schlamm verwandelt, in dem ich stecken blieb. Einige Tage waren schon vergangen und ich hing dort noch immer fest. Einige Male hatte ich schon menschliche Schritte, Stimmen und auch Hunde gehört, aber niemand hatte mich bisher entdeckt. Als meine Kräfte schon ziemlich am Ende waren und ich schon gar nicht mehr mit Rettung rechnete, stupste mich eine Hundenase an, dann hörte ich, wie dieser Hund mehrmals wuffend zwischen mir und einem Mensch herlief, solange, bis diese Menschenfrau dem Hund folgte, mich fand und befreite. Die Hündin, der ich mein Leben verdanke heißt Thais, auch sie lebte hier im Tierheim und sie wurde selbstverständlich meine beste Freundin. Die Frau, die mit Thais unterwegs war kommt regelmäßig hierhin als Gassigeherin. Thais hatte Glück, sie wurde später von der Frau adoptiert, und hat jetzt ein richtiges Zuhause. Ach, das hätte ich auch gerne wieder, wenn die Menschen sich mir langsam nähern und mir Zeit geben, mich zurechtzufinden, würden sie schon merken, dass ich ein guter Hund bin.“

 

Für einen kurzen Moment herrscht Stille, bis Dorbene die Stimme erhebt:

 

„Na Kleine, da hast du ja ganz schön was mitgemacht, ich dachte immer, dass Straßenhundleben sei hart und ihr Kleinen würdet den ganzen Tag von euren Menschen verwöhnt und verhätschelt. Willst du nicht lieber doch hier bleiben?“

 

„Weißt du Dorbene, es hat durchaus Vorteile bei Menschen zu leben, ein eigenes Körbchen, fressen, ohne Angst, dass einem alles weggefuttert wird, bevor man den Napf erschnüffelt hat. Es müssen nur die richtigen Menschen sein, die es verstehen, mit einem blinden Hund zu leben, die nichts unmögliches von mir verlangen, die mir genug Zeit lassen Vertrauen zu ihnen zu fassen, dass wäre schön.“

 

Calcetines platzt voller Begeisterung in Nicaraguas Schwärmerei und ruft:

 

„He schaut mal, wie die Sterne funkeln und wie hell der Mond heute leuchtet und dort hinten, habt ihr das gesehen? Eine Sternschnuppe! Die Menschen sagen, wenn man eine sieht, darf man sich etwas wünschen und wenn man fest daran glaubt, geht der Wunsch in Erfüllung.“

 

Lombi antwortet sogleich: „Ja, ich habe sie auch gesehen und mir auch schon etwas gewünscht!“

 

„Ich glaube wir hatten gerade alle den gleichen Wunsch, schade, dass du es nicht sehen konntest, meine Kleine,“ bemerkt Hanna zu Nicaragua.

 

„Ach wisst ihr, viele Menschen sind blind, obwohl sie sehen können,“ grummelt der weise Dorbene herüber.

 

(„Nur mit dem Herzen sieht man gut. Das wesentliche ist für die Augen verborgen.“ Aus der kleine Prinz von Antoine de Saint Exupery)

 

Die Hunde rollen sich zusammen, die Rute über die Schnauze gelegt und es kehrt Ruhe ein. Während Nicaragua, Hanna, Calcetines und Lombi von einem kleinen Wunder träumen, sausen unbemerkt weitere Sternschnuppe nieder. Geht ihr Traum schon bald in Erfüllung?

 

©Ute Dissemond, November 2012

Erschienen in der Info-Broschüre, Dez. 2012 der Tierhilfe Sara Lanzarote e.V

www.tierhilfe-sara-lanzarote.de

 

 

Ein kleines Denkmal,

 

stellvertretend für alle Langzeit-Tierheiminsassen, alt, groß, schwarzes Fell, übersehen, vergessen.

 

Der alte schwarze Rüde

 

Auch ich war einmal ein Welpe, klein und niedlich, mit kuscheligem Fell. In meinem Zuhause hatte ich es gut, na ja, ich bin eben ein Optimist, denn wie Heinz Rühmann einmal sagte: „Ein Optimist ist jemand, für den alles halb so schlimm oder doppelt so gut ist.“

 

Es fehlte mir jedenfalls an nichts und ich klagte auch nicht, als niemand mehr mit mir spielte, weil ich nicht mehr klein und niedlich war, sondern aus mir ein erwachsener, stattlicher Belgischer Schäferhund mit eindrucksvollem schwarzen Pelz geworden war. Immerhin hatte ich eine Aufgabe, nämlich die Finca meiner Familie zu bewachen und diese Aufgabe erfüllte ich pflichtbewusst. Doch auch an mir gingen die Jahre nicht spurlos vorüber und als ich elf Jahre alt war, Weihnachten das Fest der Liebe, wie ihr Menschen es auch nennt, stand kurz bevor, da traf meine Familie den Entschluss, dass ich zu alt für meine Aufgabe sei und es an der Zeit wäre, für einen neuen Hund, der meinen Platz einnehmen soll.

 

Es kam der Tag an dem ich mit Herrchen einen Ausflug machen durfte, ich freute mich sehr. Der Wagen hielt vor einem großen grünen Tor, von weitem hörte ich schon das laute Bellen von Artgenossen, freudig stimmte ich mit ein. Es war schon Abend, kein Mensch war mehr zu sehen und mein Herrchen band mich dort am Tor fest. Dann ging er weg und schaute sich nicht einmal mehr nach mir um. Die Leute, die mich dort am nächsten Morgen fanden waren freundlich zu mir, ich wurde gleich gestreichelt. Ein netter Mann führte mich in einen Zwinger, den ich mir fortan mit drei weiteren Hunden teilte.

 

Sieben Jahre sind seit dem 4. Dezember 2004 schon vergangen, mein Herrchen kam nie wieder um mich abzuholen oder mich wenigstens zu besuchen. Seit ich hier bin habe ich viele Hunde kommen und gehen sehen. Die jungen, kleinen, niedlichen mit hellem Fell sind immer am schnellsten wieder weg. Manchmal kommt einer noch mal zurück, aber nie für lange. Die großen, erwachsenen Hunde bleiben immer viel länger, am längsten von allen bleiben die Schwarzen.

 

Ich habe hier viel Zeit und konnte deshalb lange darüber nachdenken, aber wie ich es auch drehe und wende, ich finde dafür keine plausible Erklärung, in dem Punkt verstehe ich die Menschen einfach nicht.

 

Seit einiger Zeit habe ich hier Paten, die mich sogar jeden Tag besuchen, mich knuddeln und mit mir spazieren gehen, soweit meine alten Knochen noch mitmachen. Ich genieße jede Sekunde des intensiven Zusammenseins in vollen Zügen.

 

Inzwischen bin ich achtzehn Jahre und sechs Monate alt und ich habe mich längst damit abgefunden, dass das Tierheim wohl bis ans Ende mein Zuhause bleiben wird und es macht mir nichts aus, im Gegenteil, hier bekomme ich mehr Fürsorge und Beachtung als in meinem alten Zuhause. Ich weiß, das ist schwer vorstellbar, aber so ist es wirklich.

 

Mein einst schwarzes Gesicht ist nun vollkommen ergraut, meine einst strahlenden Augen sind trüb, sehen kann ich so gut wie nichts mehr und ich bin taub. Als ältester Hund im Heim komme ich jedoch in den Genuss einiger Privilegien, so darf ich in der Welpenabteilung schlafen, dort finde ich die meiste Ruhe, außerdem kann ich mich frei bewegen und wenn ich mag, darf ich mich über Tag, wenn das Tierheim geöffnet hat im Eingangsbereich und im Büro aufhalten. Ich bin ein Optimist, mir geht es gut, ich kann nicht klagen, denn es könnte alles viel schlimmer sein.

 

 Es ist Mitte Juli und letzte Nacht hatte ich einen schönen Traum, ich sah einen Regenbogen, ich fühlte mich plötzlich so frei und leicht, keine lahmen Knochen mehr, ich sah alles klar und deutlich und hörte jeden Mucks, so wie früher. Dann blickte ich hinab und mir war klar was geschehen war, mein langes erfülltes Leben war zuende. Ich danke den Leuten im Tierheim von ganzem Herzen und auch meinen Paten, die sich hier jeden Tag die Zeit genommen haben, sich um mich zu kümmern. Ich werde euch alle vermissen.

 

 Wenn ich aber noch einmal auf diese Welt komme und es mir aussuchen könnte, dann möchte ich als kleinbleibender, hellfarbiger Hund geboren werden, dann hätte ich die besseren Chancen.

 

Zur Erinnerung an Mexico, Belgischer Schäferhundmischling, der die letzten sieben Jahre seines Lebens im Tierheim SARA auf Lanzarote verbracht hat und dort im Juli 2011 verstarb.

 

©Ute Dissemond, 2011

 

Erschienen in der Info-Broschüre, Dez. 2011 der Tierhilfe Sara Lanzarote e.V

www.tierhilfe-sara-lanzarote.de 

 

 

Tierschutz

 

Es ist ein verregneter dämmriger Morgen, Eva reibt sich die Augen, sie hat schon wieder nicht gut geschlafen, seit einigen Wochen kreisen ihre Gedanken ständig um einen Hund und den Umstand, dass dieses Tier seit geraumer Zeit in einer Tötungsstation ausharren muss.

Eva, Schäferhund- und Huskyfreundin, gehört zu den Menschen, die sich immer wieder diverse Tierschutzseiten im Internet ansehen, so wie ihr Mann gerne Autoinserate liest, so stöbert Eva manchmal auf den Hundeseiten. Es ist nicht so, dass sie ständig auf der Suche nach Tieren wäre, ihr Bedarf ist mit zwei Mischlingsexemplaren dieser Hunderasse gedeckt, man muss schließlich wissen, wo die eigenen Grenzen sind. Gerade Huskys stellen spezielle Anforderungen an ihre Halter und sind erst Recht keine Hunde, die man sich mal so eben nebenbei hält.

 

Im März letzten Jahres entdeckte Eva zufällig zwei schon etwas älteren Huskys, die bereits ihr ganzes Leben miteinander verbracht hatten und die von ihren Besitzern, welche in ihr Heimatland zurückkehrten, dort im Tierheim abgegeben wurden. Der Name des Rüden ist Blanko und er war damals sechs Jahre alt. Seine Freundin hat den Namen Blue Eye Lady, kurz Blue genannt und war bereits acht Jahre alt.

Nur zu gerne hätte Eva damals schon den Hunden ein Zuhause gegeben, denn sie weiß genau wie schwer es für ältere, größere Hunde ist, noch einmal eine Chance auf ein neues Zuhause zu bekommen und das gleich im Doppelpack ist fast unmöglich. Wie bereits erwähnt kennt sie ihre Grenzen und hofft inständig, dass die beiden Hunde Glück haben. Umso mehr freute sie sich für die Tiere, als Blanko, der Rüde, nach elf Monaten, im Februar dieses Jahres sogar auf der Insel ein neues Zuhause findet und nur ein paar Monate später Blue ebenfalls in ihrer Heimat von einer netten Familie aufgenommen wird.

Doch die Freude währt nicht sonderlich lange. Während es Blue außerordentlich gut angetroffen hat, entdeckt Eva den Rüden im Sommer erneut auf einer Vermittlungsseite. Doch diesmal nicht vom Tierheim, sondern als einen in einer Tötungsstation einsitzenden Hund. Eva liest: „... Der von seinem Besitzer in der Perrera abgegebene Hund wurde zuvor von einem anderen Verein an diesen vermittelt...“, sie traut ihren Augen kaum. Kann das wahr sein, ist es tatsächlich der selbe Hund? Noch etwas stimmt nicht, der Rüde wird dort unter dem Namen der Hündin geführt und die hat doch ein wirklich gutes Zuhause.

 

Die Sache beunruhigt Eva so sehr, dass sie sich dazu entschließt Nachforschungen anzustellen. Wie ihr von dem deutschen Verein, der das Tierheim vor Ort unterstützt, mitgeteilt wird, handelt es sich tatsächlich um Blanko, der unter dem anderen Namen dort ausharrt, aber er wurde nicht vom Besitzer dort abgeben, sondern ist diesem entlaufen, woraufhin er eingefangen wurde und auf diese unglückliche Weise in einer der fünf Perreras der Insel landete. Normalerweise kein Problem den Hund zurückzubekommen, doch durch die Verwirrung mit dem Namen kam es zu Verzögerungen und jemand kam ihnen zuvor. Denn es gibt vor Ort noch eine Gruppe von Tierschützern, die es sich zur grundsätzlich löblichen Aufgabe gemacht hat Tiere aus den Tötungsstationen freizukaufen, eine Tatsache, die Eva normalerweise mit großem Respekt erfüllt. Diese Leute entscheiden, wer vorerst verschont wird und holen die ausgewählten Tiere später, wenn freie Kapazitäten vorhanden sind in ihre eigene Auffangstation. Doch wie so oft, arbeiten Tierschützer gegeneinander, anstatt miteinander und deshalb kann aus dieser Perrera, nur der Besitzer den Hund dort auslösen, das Tierheim hat momentan keine Chance darauf.

 

Diese Mitteilung kommt Eva mehr als nur etwas merkwürdig vor, doch was kann sie von Deutschland aus schon für den Hund tun? Nach einigen Überlegungen entscheidet sie sich dafür mit der anderen Tierschutzorganisation in Kontakt zu treten, denn für Eva ist es immer wichtig, sich die Version von beiden Seiten anzuhören. Also greift sie zum Telefon und fragt nach, was sie denn für den Hund tun kann, um ihm zu helfen. Sie hatte sich vorab schon bei Leuten in ihrer Umgebung umgehört, die früher einmal einen Husky hatten und bereits Kontakt mit einer kompetenten Pflegestelle für einen auf nordische Hunde spezialisierten Verein aufgenommen und sie selbst ist bereit für Blanko eine Patenschaft zu übernehmen, damit seine Versorgung gesichert ist und er durch die finanzielle Unterstützung die Perrera verlassen und in die Auffangstation umziehen kann. Die Antwort der Dame am Telefon erfolgt prompt und in spitzem Tonfall.

„Wir sind nur an einer Endstelle interessiert, sicher können Sie spenden und eine Patenschaft für den Hund übernehmen, jeder Spender und Pate wird, nach Geldeingang, namentlich aufgeführt. In der Auffangstation ist aber dennoch kein Platz für ihn frei, er muss weiter in der Tötung bleiben, aber entschuldigen Sie bitte, ich verstehe nicht, was Sie mit Ihren Fragen bezwecken, es geht dem Hund dort gut, er ist gesund, bekommt Futter und Wasser es ist halt nur am Wochenende niemand da. Nein, an Pflegestellen sind wir nicht interessiert, dort werden die Hunde nur weitergereicht und wir haben selbst ausgewählte Pflegestellen, nur zur Zeit sind alle belegt.“

Auf Evas Frage, in wie weit Blanko denn nun akut gefährdet wäre, entgegnet die Dame am anderen Ende der Leitung:

„Na ja, es kann schon mal vorkommen, dass ein Besitzer seinen Hund wieder zurück holt, dagegen können wir dann nichts machen, aber ansonsten halten wir den Daumen drauf, es kommt niemand ran.“

Eva fragt sich, wie abgebrüht man sein muss, um zu behaupten, dass es einem Hund an einen so trostlosen Ort gut gehen kann. Bei nichts außer dem nackten Betonboden, ohne Liegeplatz, ohne menschliche Ansprache, ohne die nötige Bewegungsmöglichkeit, bei zwei Tagen pro Woche ohne irgendwelche Versorgung und Reinigung? Im Tierheim sind wenigstens täglich Menschen, Gassigänger und Ausläufe, denkt Eva weiter.

Etwas konsterniert erwidert Eva:

„Aber das ist doch nun wirklich nicht das schlechteste, was dem Hund passieren kann, wenn der Besitzer ihn wieder abholt.“

Daraufhin entsteht eine Pause im Gespräch und nach einigem Zögern sagt die Dame mit gespielter Freundlichkeit:

„Wissen Sie, es haben sich schon Leute aus einem Nachbarland gemeldet, die Interesse an dem Hund haben, dann drücken sie ihm die Daumen, dass er Glück hat.“

Das Gespräch wird abrupt beendet.

 

Nach diesem Telefonat legt Eva frustriert das Telefon beiseite und geht erst einmal hinaus auf die Terrasse, wo sie sich eine Zigarette anzündet, eigentlich wollte sie schon längst damit aufgehört haben, doch damit ist es wie mit dem Abnehmen, es kommt einem ständig was dazwischen.

Den Rest des Tages grübelt Eva vor sich hin, ob sie diese Tierschützer tatsächlich finanziell unterstützen soll. Was hätte letztendlich der Hund von ihrer Patenschaft? Für ihn würde sich dadurch aber auch rein gar nichts ändern. Entspricht das ihrer Auffassung von Tierschutz? Warum wird der Hund als Notfall gekennzeichnet, die angebotene Hilfe jedoch abgelehnt, nur Geld allein wird gerne angenommen? Kann es sein, dass es Tierschutz ist, wenn die persönliche Anfeindung mit einem konkurrierenden Verein dazu führt, dass ein Tier in der Tötung bleiben muss? Das Querelen, eigene Interessen, auf dem Rücken eines Tieres ausgetragen werden?

 

Während Eva, an diesem verregneten, kühlen Morgen, den alten BAP-Song „Arsch hu, Zäng usenander“ hört, bei dem es eigentlich um ein ganz anderes Thema geht, kommt ihr eine Idee, sie schreibt Blankos Geschichte auf.

Bei Unrecht darf nicht geschwiegen werden und wenn es das Einzigste ist, was sie für den Hund tun kann, dann muss es eben getan werden.

 

©Ute Dissemond, August 2011

 

Erzählt nach einer wahren Begebenheit, alle Namen sind geändert.

 

Erschienen in der Info-Broschüre, Dez. 2011 der Tierhilfe Sara Lanzarote e.V.

www.tierhilfe-sara-lanzarote.de

und im Blog des Mariposa Verlag www.tiergeschichten24.de

 

 

Traumhund – Hundetraum

 

Joe ist schon ganz aufgeregt, es ist einer dieser klaren Tage, an denen die wenigen Sonnenstrahlen, die sich in der dunklen Jahreszeit ihren Weg ins Licht bahnen können ein magisches Glitzern auf die Eiskristalle des blendend weißen Schnees zaubern, später sind es nur noch die tanzenden Nordlichter, die den Himmel erhellen.

Joe wartet zusammen mit seinen 11 Artgenossen darauf, dass es endlich losgeht und sie eingespannt werden, um wieder den Schlitten ziehen zu dürfen. Weite Strecken durch den Schnee rennen, das ist ihr Leben. Joe war früher, wie auch seine Mitbewohner, sehr erfolgreich bei Hundeschlittenrennen, nun sind sie jedoch zu alt für den Hochleistungssport. Joes Herrchen ist von dieser Hunderasse schon seit vielen Jahren fasziniert mit der er sogar sein Hobby teilen kann. Außerdem liebt er die Eigenständigkeit seiner Hunde, die sich ihm nie bedingungslos unterordnen würden und dennoch immer freundlich sind. Ihr Territorium gegen Fremde zu verteidigen käme keinem seiner Huskys in den Sinn, im Gegenteil, seine Hunde freuen sich über jeden Gast.

Joes Herrchen hatte den Sport in der Kategorie Skandinavier-Fahren begonnen. Dabei ziehen bis zu drei Hunde eine mit Gewichten beladene Wanne. Der Musher läuft auf Skiern dahinter her, wobei er durch eine Leine mit der Wanne, die Pulka genannt wird, verbunden ist.

Später wechselten sie in die Gespann Kategorie, hierbei ziehen mindestens zwei Hunde einen Schlitten, auf dem der Musher steht. Meistens bestehen die Gespanne aus maximal 16 Hunden, die in Zweierreihen vor den Schlitten gespannt sind, bei einer noch größeren Anzahl an Tieren wird es für den Musher immer schwieriger den Schlitten zu lenken.

Auch nach ihrer aktiven Sportlerkarriere leben Joe und seine Kumpel ein wunderbares Leben, denn ihr Herrchen bietet Hundeschlittentouren für Touristen an und dafür sind Joe und seine Gefährten noch lange nicht zu alt.

Joes Herrchen ist Huskyhalter aus Leidenschaft, er ist, genauso wie seine Hunde immer mit Freude bei der Arbeit. Er kennt seine Hunde und ihre Bedürfnisse genau. Deswegen ist er auch in die selbstgewählte Einsamkeit Finnlands gezogen, hier stört niemanden das Bellen und Heulen seiner Tiere, was bei einer hohen Anzahl an Hunden doch ziemlich laut sein kann.

Joe liebt das Laufen vor dem Schlitten. Außerdem ist er ausgesprochen neugierig, menschenfreundlich und im allgemeinen auch gut verträglich mit Artgenossen. Bis auf die eine Ausnahme, die sich bei einem Rennen ereignete, als ein uneinsichtiger Zuschauer seinen mitgebrachten Kleinhund am Rande der Rennstrecke herumlaufen ließ, dabei passierte es, dass der Kleine bedauerlicherweise im Vorbeirennen einfach gepackt und mitgenommen wurde. Solch tragische Zwischenfälle kommen bei Rennveranstaltungen gelegentlich vor, dabei handelt es sich, aus Huskysicht, eigentlich nur um ein Versehen, denn im Eifer des Gefechts werden die unvorsichtigen Kleinhunde von den vorbeirasenden Huskys lediglich mit Beute verwechselt. Joe ist da keine Ausnahme, er verjagt nicht, sondern er fängt. Ließe sein Herrchen ihn draußen frei laufen, dann käme er erst zurück, wenn die Jagd erfolgreich beendet wäre. Deswegen verbringen Joe und seine Freunde ihre Freizeit auch in einem großen ausbruchsicherem Gehege, es ist 5000 m² groß, 2 Meter hoch komplett eingezäunt und zusätzlich reicht der Zaun noch 60 cm in die Erde. Ausgebüxt ist hier noch keiner, aber Joe und seine Freunde sind ja auch immer ausgelastet und genießen daher die Erholungsphasen. Hier auf dem Gelände haben die Hunde ebenfalls Platz genug, um sich frei zu bewegen und sie vertreiben sich die Zeit mit dem Budden nach Mäusen und Maulwürfen, was im Winter durch die hohe, feste Schneedecke ziemlich schwierig ist, aber im Sommer geht es dafür um so besser.

Obwohl Joe mit seinem wetterfesten dichten Pelz bestens für das Leben im Freien ausgestattet ist, verfügt das Gehege über ein Hundehaus von welchem wiederum eine Klappe direkt ins Wohnhaus führt. Doch diese wird von den Huskys eher selten benutzt. Überhaupt ist Joe der eigenständigste Hund aus dem ganzen Rudel, er macht nur das was er für richtig hält und nur wenn sein Mensch die Ansicht mit ihm teilt, ja dann ist Joe auch gerne bereit ihm zu gehorchen.

Joe und seine Kumpanen bilden echte Zweierteams, sein Herrchen weiß genau welche Paare am besten miteinander harmonieren. Er achtet ebenfalls darauf, dass seine Hunde alle den gleichen Körperbau und den gleichen Gang haben. Nur so kann das Gespann im Gleichschritt, ohne unnötige Seitwärtsbewegungen laufen und nur so bleibt die Hauptleine gerade. Das ist für die Hunde die am wenigsten anstrengend und kraftsparendste Art zu laufen, was wiederum für Touristenfahrten zwar weit aus weniger wichtig ist wie im Rennsport, aber dennoch für die Hunde eben die angenehmste Weise zu laufen ist. Aus dem gleichen Grund achtet Joes Herrchen auch darauf, dass das Gewicht seiner Hunde nicht nur annähernd gleich ist, sondern auch darauf, dass das Idealgewicht für einen Husky von ca. 25 Kg nicht überschritten wird. Denn ab diesem Gewicht nimmt einerseits die Wärmespeicherung erheblich zu und der Wärmeabbau wird immer schwieriger. Daher kann es durch große Anstrengung bei schweren Hunden leichter zu einem Hitzestau kommen.

Joe und sein Partner bilden das Leitpaar und laufen vorne weg, sie geben damit das Tempo des Schlittens vor. Weil die Hunde eben echte Teams sind, die sich nicht nur gut kennen, sondern auch mögen müssen, sind Neuintegrationen in ein bestehendes Rudel immer eine langwierige Angelegenheit und gestalten sich auch oft schwierig.

 

Endlich, da kommt Herrchen mit den Geschirren und den Leinen, die Hundemeute begrüßt ihn und die Gäste mit ohrenbetäubendem Lärm. Hier draußen in der Abgeschiedenheit stört das zum Glück niemanden. Für sein Herrchen sind alle 12 Huskys echte Traumhunde, aber sein Joe ist für ihn ein ganz besonderer Hund. Alle sind bereit, die Schlittenfahrt durch die weite unberührte Natur und die tief verschneiten Wälder kann losgehen. Plötzlich ertönt ein schepperndes Geräusch, das Joe zusammenzucken lässt.

 

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Das zuschlagen der Zwingertür holt ihn jäh aus seinem wunderschönen Traum zurück in die Realität. Joe wurde zur falschen Zeit am falschen Ort geboren. Gerade als Huskys dort groß in Mode kamen, erblickte auch Joe das Licht der Welt. In einem Pet-Shop, viel zu früh von der Mutter getrennt, in einem winzigen Zwinger, der sich auf dem Gehweg, direkt neben einer vielbefahrenen Durchgangsstraße befand, wurde er zur Schau gestellt. Dort verbrachte Joe die wichtigsten Wochen seines Lebens. Sein Herrchen entschied sich damals spontan für ihn, als er noch ein winziges Fellknäuel von noch nicht einmal 6 Wochen war. Eigentlich war sein Herrchen auf der Suche nach einem zuverlässigen Wachhund für Haus und Hof und er dachte sich bei Joes Kauf nur, dass er auch aus ihm bestimmt einen zuverlässigen Wachhund machen kann.

Am Anfang genoss Joe noch viele Freiheiten aber als er fast erwachsen war, wurde seine Eigenständigkeit, sein Dickkopf immer stärker.

Er wollte laufen, sich bewegen und nutzte jede Gelegenheit sein Heim zu verlassen. Das Jagen lag ihm im Blut, die Hühner und die Katze seines Herrchens bekamen das als erste zu spüren, dann kamen auch die Ziegen des Nachbarn dran, woraufhin sein Herrchen wiederum mächtigen Ärger bekam, den Joe dann schmerzhaft ausbaden musste. Zusätzlich wurde er nun auf dem Grundstück angeleint.

Damals war das starke Seil an dem er hing immerhin noch 10 Meter lang. Doch Joe war nicht dumm, schnell hatte er das Seil durchgenagt und sich erneut allein auf die Jagd gemacht. Nach seiner Rückkehr gab es wieder Ärger und diesmal legte Herrchen ihn an eine lange Kette. Doch auch die konnte Joe an weiteren Exkursionen nicht hindern. Er arbeitete so lange, bis er die Kette aus der Verankerung im Boden hebeln konnte und machte sich dann mit samt dieser selbständig. Sein Herrchen hatte jedoch ausgesprochen viel Geduld mit Joe, er gab so schnell nicht auf, schließlich baute er sogar einen Zwinger für ihn. Doch auch dabei hatte er die Rechnung ohne Joe gemacht, denn wer Langeweile hat, hat viel Zeit sich etwas auszudenken und auszuprobieren. Deshalb dauerte es auch nicht lange, bis Joe sich unter dem Zwinger durchgegraben hatte. Nach seiner Rückkehr wurde er im Zwinger an die Kette gelegt. Ausbrechen konnte Joe nun nicht mehr, aber ihm war langweiliger als je zuvor und er war einsam, deshalb begann er zu bellen und zu heulen, das brachte Joes Herrchen neuen Ärger von den Nachbarn ein.

Joes Herrchen hatte schon lange die Nase voll von diesem nichtsnutzigen Hund, der noch nicht einmal als Wachhund taugte, denn anstatt Fremde vom Hof zu verbellen und zu verscheuchen begrüßte er jeden Menschen überschwänglich und das, obwohl sich Joes Herrchen alle Mühe gab ihn sogar mit Gewalt davon ab zu bringen.

Doch aus Joe wurde trotz aller widrigen Versuche kein gehorsamer Wachhund, er blieb nur das, was er sowieso schon immer war, ein eigenständiger, menschenfreundlicher, Vollblutjäger.

Nun hatte sein Herrchen endgültig das Interesse an ihm verloren, er kam nur noch selten und dann auch nur noch ganz kurz an den Zwinger, alle paar Tage wechselte er das Wasser oder das was von der meist schon grünen Brühe noch übrig war, warf ihm einen Knochen, altes Brot und viel zu stark gewürzte, kaum noch genießbaren Speisereste hin und gelegentlich entfernte er Kot und Urin aus dem Zwinger. Joe fristete ein trostloses Leben an einer kurzen, schweren Kette, die gerade bis zu seinem Wassernapf reichte und die heiße Sonne brannte ihm täglich gnadenlos auf den dicken Pelz. Joe litt unter der Hitze noch mehr als andere Hunde, abkühlen konnte er sich nirgendwo, nur für 1-2 Stunden spendete die große Pinie und der Olivenbaum in der Nähe des Zwingers etwas Schatten.

Doch nach einer erneuten Beschwerde der Nachbarn, wegen des Hundelärms, war nun endgültig das Maß voll, der Hund musste weg und das nächste Tierheim war nicht fern.

 

Dort im Zwinger lebt Joe jetzt und träumt seinen Traum. Ihn plagt noch immer die Langeweile aber er ist nun wenigstens nicht mehr allein, denn diesen Zwinger teilt er mit 3 Artgenossen. Das Wasser ist frisch, das Futter regelmäßig und ausreichend vorhanden und der Zwinger wird täglich gereinigt. An manchen Tagen darf er sich mit seinen Zwingergenossen im Auslauf austoben.

Joe ist nun 8 Jahre alt, sein freundliches Wesen ist ihm geblieben, das kann ihm niemand nehmen und wer weiß, vielleicht geht sein Traum, wenigstens zum Teil, eines Tages doch noch in Erfüllung.

 

Geschrieben für Danko, mein Goldstück auf vier Pfoten und alle anderen älteren Tierheimhunde, für die sich niemand interessiert.

 

©Ute Dissemond

Diese Geschichte war ebenfalls im Blog des MariPosa Verlag zu lesen

www.tiergeschichten24.de